Klischees neu verpackt Die Operette von Ralph Benatzky ist zweifelsohne eine der erfolgreichsten und meistgespielten der Nachkriegszeit. Trotz eines starken Lokalkolorits und heimatlichen Gefühlen, die durch das Setting mit Wirtshaus, Kuhstall, Bergen und See erzeugt werden, bilden die Musik und die Handlung gleichzeitig auch das damalige Weltgeschehen ab: mit Tagestouristen aus verschiedenen Ländern, Kurgästen mit Renommee und einem Auftritt des leibhaftigen Kaisers Franz Joseph I.. In diesem Spannungsfeld von Provinz und Weltoffenheit bewegen sich auch die Figuren des Stücks, erfüllt mit Verliebtheit, Hoffnungen, Träumen, Ambitionen und Versagensängsten. Die Wirtin Josepha ist raubeinig, Zahlkellner Leopold ist schusselig-sympathisch und der Dr. Siedler ein Charmeur – kurzum gesagt: so einige Figuren- Klischees werden (gekonnt) bedient. Regisseur Giuseppe Spina versetzt die Handlung zeitlich in die frühen 1960er-Jahre, eine Zeit, in der die klassischen Rollenmuster angefangen haben zu bröckeln. Es geht Spina darum, starke, selbstbewusste Frauencharaktere zu zeigen. Dafür steht seine Entscheidung, die Figur des Wilhelm Gieseckes durch eine Frau, Wilhelmine Giesecke zu ersetzen. In der aktuellen Fassung ist sie eine Fabrikantin, die das Geschäft ihres verstorbenen Ehemannes weiterführt. Für sein «Wagnis» bringt der Regisseur ein aussergewöhnlich experimentierfreudiges, aber auch szenisch affines Ensemble zusammen und schafft eine kleine Revolution in der Operettenwelt.