Die Kamera ist stets die Beobachterin. Grossmann hat sich nicht hinreissen lassen, mit Greta oder ihrer Familie klassische Interviews zu machen. Er hat die Version von «Dokument» gewählt, ohne kreative Einschübe, ohne narrative Geschichte. Und man bekommt mit, gerade auch bei diesen grossen Auftritten, wie die hohen Politiker*innen fasziniert hinhören, weil da ein junger Mensch mit all seinen Möglichkeiten eindringlich versucht, die Welt zu retten und ihnen die Leviten liest. Aber nach dem artigen Klatschen der Mächtigen geht alles seinen gewohnten Weg. Man sieht Greta auch mal genervt, gerade bei einem EU-Gipfel, wo sie die Kopfhörer ablegt und nicht mehr hören kann, was Jean-Claude Junker für Banalitäten von sich gibt. Eindrücklich dann die Segelfahrt nach New York an den UNO-Gipfel, über den Atlantik, wo man so nah an ihrer Not, an ihrem Limit ist, wo sie sagt, es ist alles zu viel für mich, ich kann nicht mehr, ich will nach Hause und man weiss, sie muss das stürmische Wetter durchhalten. Es ist das einzige Mal, wo man echt Mitleid mit ihr hat, weil wir mitfühlen können und auch wir es wohl in dieser extremen Wettersituation mit der Angst zu tun bekämen, obwohl der Kapitän stets beteuerte, es könne nichts passieren. Ja, und Greta leidet am Asperger-Syndrom, einer Art von Autismus. Leiden? Nein, sie leide nicht, sie habe einfach das Asperger-Syndrom und lebe damit. Als Kind sei es nicht immer einfach gewesen, sie sei auch einsam gewesen. Von ihren Kameradinnen sei sie nie eingeladen worden, weil sie anders war. Und die Tatsache, dass Greta diese Krankheit hat, war für viele Politiker, die oft selbst ziemliche Defizite vorzuweisen haben, ein Steilpass: das arme Mädchen werde manipuliert, ihr Vater instrumentalisiere sie, Greta sei zu bedauern, vielleicht zu bewundern, aber sicher nicht ernst zu nehmen. Das sagen nicht etwa nur Donald Trump oder Jair Bolsonaro, das hört man auch hierzulande immer wieder. «Ich bin Greta» ist eine erhellende Dokumentation über eine eindrückliche junge Frau, die versucht, die Welt zu retten, mit all ihren Kräften und bewundernswertem perfekten Englisch. Madeleine Hirsiger, arttv.ch