arttv Rezension Mit «Beyto» setzt die Zürcher Regisseurin Gitta Gsell in der Schweizer Spielfilmszene ein starkes Zeichen. Mit ihrem neusten Werk führt sie uns mit sicherer Hand durch heikle Themenbereiche, die grosses Fingerspitzengefühl abverlangen. Im Zentrum der Geschichte: der junger Türke Filmkritik: Madeleine Hirsiger Beyto, der als kleines Kind mit seinen Eltern in die Schweiz gekommen ist und als junger Mann merkt, dass er schwul ist. Eine explosive kulturelle Mischung mit grossem Erzählpotenzial, das Gitta Gsell geschickt auf die Leinwand bringt. Der junge Beyto ist im Kebab-Laden seiner arbeitsamen Eltern tätig, daneben trainiert er für eine Meisterschaft im örtlichen Schwimmklub. Hier schlägt sein Herz, hier kann er zeigen, wie gut er ist und hier verliebt er sich in seinen Trainer Mike. Als er von zwei Freundinnen seiner Eltern an einer schwul-lesbischen Parade gesehen wird, wird es für ihn zu Hause ungemütlich. Abstreiten ist angesagt, denn darüber reden geht gar nicht. Das, was ist, darf und kann nicht sein. Nicht beim Sohn türkischer Eltern – niemals. Mit dem Argument, seine geliebte Grossmutter liege im Sterben, wird Beyto in die Türkei «entführt». Dort haben seine Eltern arrangiert, dass er seine Jugendfreundin Seher heiraten soll, um das Image einer intakten türkischen Familie aufrecht zu erhalten. Durch die Heirat wird sich alles von selbst ergeben und Beytos sexuelle Orientierung war nur eine zeitweise Verwirrung, so die Hoffnung der Eltern. Auch ihm ist klar, dass er Seher heiraten muss. Sie ist eine junge, gescheite Frau, die Beyto seit seinen Kindertagen gern hat und deren Zukunft er nicht zerstören will. Er offenbart sich ihr. Was folgt, ist ein weiterer gewagter und gelungener Schachzug der Regisseurin Gitta Gsell. Dazu nur so viel: Das Ende des Films ist aufbauend. «Beyto» ist auch eine Art Lehrstück, das für interkulturelles Verständnis plädiert. So soll der Schweizer Mike ebenso verstehen, was es heisst, aus einer türkischen Familie zu stammen, die voll in den Traditionen verwurzelt ist, auch wenn diese schon seit Jahrzehnten in der Schweiz wohnt. Mike muss lernen zu ertragen, dass der familiäre Zusammenhalt für Beytos Eltern das Wichtigste ist und es für Homosexualität in diesem Kulturkreis keinen Platz gibt. Denn da ist «Schwul sein» immer noch des Teufels. Eine heile Familie mit möglichst vielen Kindern, das ist der Traum von Beytos Eltern. Und dafür kämpfen sie mit allen Mitteln. Ihre Integration ist vordergründig, alle Kontakte laufen über türkische Freunde und Familienmitglieder. Der rebellische Beyto verkörpert für uns die Hoffnung, dass sich die nächsten Generationen von Migranten in der westlichen und toleranteren Gesellschaft etablieren können, dass die Integration für sie möglich ist, ohne ihre Herkunft verleugnen zu müssen.