arttv REZENSION Es ist eine unvergleichliche Arbeit des 57-jährigen Luzerners. Während sieben Jahren hat er die Veränderungen auf dem weitläufigen Gelände vor seinem Fenster mit der Kamera festgehalten. Imbach dokumentierte den Abriss eines historischen Gebäudes aus dem 19. Jahrhundert und den Bau des riesigen Polizei- und Gefängniskomplexes an seiner Stelle. Aus der Perspektive von oben, in klar einzuordnenden Bildern. Schonungslos und faszinierend. Es ist ein komplexer, vielschichtiger Film: Jede Aufnahme erzählt eine Geschichte, manchmal nur erhascht, nie bedeutungslos. Es sind Geschichten, die ihre Wurzeln in unserer Existenz, in unserem Menschsein haben. Schon am Anfang wird man auf den Ton des Filmes eingestimmt: Ein nicht sichtbarer Arbeiter schiebt mit seinem Luftbläser einen halb verrotteten Apfel und einen gebrauchten Gummihandschuh vor sich her – eine unbedeutende Szene, aber eine mit einer Filmkritik: Madeleine Hirsiger gewissen Faszination. Man schaut hin, ohne sich zu langweilen. Diese Art des Erzählens zieht sich durch den ganzen Film. Dann, der brutale Abriss des historischen Güterbahnhofs, einst eine stolze Anlage der Stadt Zürich, die nun geschleift werden muss, um dem gigantischen Bauvorhaben Platz zu machen. Es soll ein Gebäude der Ordnung und der Strafe entstehen. Die Baubewilligung hat sich über Jahre hingezogen, bis endlich grünes Licht gegeben wurde. Vieles ist im Zeitraffer gedreht – und wenn es mit dem Abriss emotional zu viel wird, lässt Imbach den Film ein Stück rückwärtslaufen, und der alte, dem Tode geweihte Backsteinbau setzt sich kurz wieder zusammen, verleiht vermeintliche Hoffnung. Doch der in die Mauern knallende Bagger ist unerbittlich, durch nichts aufzuhalten – ein Sinnbild für die Zerstörung unserer Lebensräume. Es gibt kein Entrinnen. Und wenn alles weg ist, fein säuberlich abgetragen, wird das Gelände akkurat planiert. Ein logistisch beeindruckendes Unterfangen kann beginnen. Bald setzt der durchdringende Lärm eines Presslufthammers ein, um Löcher in die Erde zu bohren. Das Aufstellen von unendlich langen Holzwänden soll jegliches unbefugte Betreten verhindern. Man sieht ein paar Arbeiter, die diese Arbeit verrichten, gemächlich, in einer fast leeren Umgebung. Es könnte auch ein Stück Wüste sein. Aber dann kommt allmählich Leben auf, die Bilder beginnen sich zu füllen, mit Menschen – Männern – zuerst sind es Planer, Ingenieure, Architekten, Vermesser. Später erscheinen die ersten Bauarbeiter, die orangen, die grün-orangen, die gelben, die blauen, die weiss-roten, die von Marti, Anliker, Eberhard, Arge, hrs, dem Kopf des ganzen Unternehmens. Es sind die kleinen Geschichten, die dem Film etwas Poetisches, Eindringliches verleihen, auch etwas zutiefst Menschliches. Wir werden Zeugen von Verborgenem: ein sich küssendes Liebespaar auf einem Parkplatz, einzelne Figuren, denen Thomas Imbach nachgeht, lange nachgeht. Er lässt sich Zeit, keine Hetze: Ein Fuchs, der sich auf dem Bauplatz umsieht, ein nächtlicher Spaziergang eines Mannes mit seinem Hund, Sightseeing-Touren auf dem Bau-Areal, ein Arbeiter, der fast liebevoll den restlichen Sand eines entladenen Güterwagons wegwischt, das Verteilen von Osterhasen, einen für jeden, und wie sie sich freuen, die starken, unverwüstlichen Bauarbeiter, die vor Wind, Regen und Schnee nicht zurückschrecken, harte Kerle, vor allem die aus Südeuropa, die Archaischen, oft von ländlicher Herkunft, stolz sind sie auf ihr Können, auf ihre Teilhabe an einem