Anna Oliker, Sie begleiten Ihren Film «Kosher Rehab» zum Yesh!-Filmfestival in Zürich. Wie kam es zu diesem Porträt über ein Drogen-Rehab für chassidische Jugendliche in Jerusalem? Vor vier Jahren starb in meiner orthodoxen Nachbarschaft eine 16-Jährige an einer Überdosis. Sie stammte aus einer netten Familie – alle waren geschockt. Dasselbe passierte wenig später erneut, wieder war es ein orthodoxes Mädchen … Gleichzeitig recherchierte eine befreundete Journalistin für einen Artikel in der «Jerusalem Post» über die versteckte INTERVIEW Doris Senn Drogenepidemie in der orthodoxen Gemeinde. Ich wollte mehr darüber erfahren – nicht zuletzt aus Sorge um meine eigenen Kinder – und habe meine Freundin zu einem Interview mit Eric Levitz begleitet, dem «Boss» des AZ House, das im Zentrum meines Films steht. Wie verlief Ihre erste Begegnung dort? Als ich in Erics Haus kam, fiel mir zuallererst auf, dass er mehr oder weniger allein dort wohnte mit den Jungs. Ich fragte: Wo sind denn deine Helfer, Berater, Psychologen? Und er: Es gibt keine! Aber wie machst du das mit den Behörden, wenn du kein Hebräisch sprichst?, wollte ich wissen – Eric stammt aus Cleveland. Das Haus wird einzig durch Spenden finanziert. So bot ich ihm an zu helfen: als Anwältin oder indem ich ein Video machen würde fürs Fundraising. Daraus entstand dann der Film. Die Jugendlichen in seinem «House» kommen aus orthodoxen Familien, sie sind nicht wirklich vorbereitet für eine andere Welt. Wenn sie zu Eric kommen, haben sie in der Regel keinen anderen Ausweg mehr – einzig den Willen, es besser zu machen, eine bessere Person zu werden. Ich selbst wurde erst mit 24 Jahren orthodox, bin in Russland geboren, wurde säkular erzogen, ging nach Amerika und lebe heute in Jerusalem. Ich weiss, was es heisst, anders zu sein oder gemobbt zu werden. Diese Jugendlichen wachsen auf mit vielen Fragen – und mit diesen gehen sie raus, auf die Strasse. Und dort ist es für sie wirklich gefährlich: Sie finden Heroin, Fethanyl- Pflaster, Methadon – und natürlich Alkohol. Und das alles sehr billig. Sind sie obdachlos, weil sie von ihrer Familie ausgeschlossen wurden, finden sie dort auch Anschluss und Freunde in derselben Situation, wie sie. Wie kommt es, dass Eric, der selbst drogenabhängig war und ursprünglich aus Cleveland stammt, sein Rehab ausgerechnet in Jerusalem führt? Eric kam mit «Birthright» nach Jerusalem – eine Art Bildungseinrichtung, die jungen jüdischen Erwachsenen in aller Welt die Reise nach Israel ermöglicht. Eric traf bei einem Sabbat-Dinner einen Chassidim, dessen Sohn ein Jahr zuvor durch Heroin ums Leben kam. Er wollte zuerst gar nicht glauben, dass dieses Problem in der orthodoxen Community existierte – doch dann bot ihm dieser Mann an, ihn bei einer Einrichtung für Drogenabhängige zu unterstützen. Innert weniger Monate war das Haus voll und wird nun von jungen Männern aus Brooklyn, Lakewood oder Queens, aber auch aus Israel bewohnt!