ukrainischen Sportministerium, in den kriegsnahen Regionen und auf der okkupierten Krim oder selbst an den Paralympischen Spielen in Rio. Ein Jahr lang war ich auf einer Nonstop-Expedition zwischen verschiedenen Städten und Ländern. Als Dokumentarfilmemacher ist man für die umgebende Realität sehr empfänglich, man ist wie eine Antenne, die alle Vibrationen durch sich laufen lässt. Was wir erlebt haben, hat tiefe Abdrücke bei mir hinterlassen. Als ich nach dem Dreh wieder in der Schweiz war, dachte ich, ich sei zurück im sicheren Hafen: Ich schlafe wieder auf einer guten Matratze, ich hab guten Kaffee und auch Leute um mich, die ich immer etwas fragen konnte. Aber trotzdem war die Schnittphase viel schwieriger für mich. Welche Rolle spielt es für Sie, dass Sie als Regisseurin in der Schweiz wohnen und wäre der Film auch entstanden, wenn Sie in der Ukraine leben würden? Die kurze Antwort ist: wahrscheinlich nicht. Obwohl ich kann das nicht ganz beurteilen. Ich denke aber, die geografische Distanz hat mir eher geholfen, die Geschichte aus einer anderen Perspektive zu erzählen. Und trotzdem war der Schnitt schwieriger als die Dreharbeiten in der Ukraine … Ja. Denn es ist eine Herausforderung, ein Multi-Porträt-Film zu schneiden, in dem verschiedene Erzählstränge und Spannungsbögen ausbalanciert werden müssen. Ich wollte nicht nur die sportliche Entwicklung der Protagonist:innen erzählen, sondern auch das Private– samt des komplexen Umfelds – miteinbinden. Denn die internationalen Zuschauenden müssen den Konflikt jeder der Personen verstehen. Ich als Ukrainerin habe ganz anderes Hintergrundwissen. Seit Februar 2022 weiss man vielleicht ein bisschen mehr über die Ukraine, aber davor konnte ich davon ausgehen, dass man nicht so viel gehört hat. Hauptsächlich ist es aber ein Film über Sportler:innen, die sich auf die nächsten Paralympischen Spiele vorberieten – es geht also um Menschen mit Behinderungen. Ich finde, Sie haben da einen sehr intuitiven und offenen Zugang zum Thema entwickelt. Haben Sie sich darüber viele Gedanken gemacht? Also, dass sie Menschen mit Behinderungen sind, habe ich nach einer Woche vergessen. Sie sind keine Menschen mit Behinderung, sondern Menschen, die behindert werden. Für sie ist es ja normal, nur für uns ist es irgendwie nicht normal, dass an ihren Körpern etwas nicht so ist, wie bei einem ‹klassischen› Körper. Aber für sie ist es wie die Augenfarbe, jeder hat eine andere. Und diese Haltung habe ich übernommen. Ich glaube, jede:r Regisseur:in strebt es an, mit seinen Protagonist:innen auf Augenhöhe zu sein. Ich habe mit jedem von ihnen circa zwei Monate verbracht. Wenn ich etwa mit Roman aus Donetsk im Flüchtlingsheim gedreht habe, war es mir wichtig, dass ich dann auch dort übernachte und nicht in einem Hotel. Ich wollte ein stückweit ihren Alltag leben und mich darin auflösen. Daraus entsteht wahrscheinlich auch das Gefühl, dass die Behinderung der Protagonist:innen nicht im Vordergrund steht. (Kurze Pause) Obwohl rein symbolisch spielt es eine Rolle, dass die Geschichte durch das paralympische und nicht etwa durch das olympische Team erzählt wird. Denn wenn man die Ukraine betrachtet, ist sie mit der annektierten Krim auch ein amputiertes