In dubio … Ewald ist nun stets von «seinen» Knaben umgeben, sexuelle Übergriffe sieht man im Film nicht. Einzig eine Szene, in der der erwachsene Mann mit den Jungs unter der Dusche steht, wäre nicht nötig gewesen. Während alle Knaben in Unterhosen duschen – und auch sonst nie nackt sind – ist Ewald neben ihnen gänzlich entblösst. Im Training tobt Ewald mit den Kindern herum, hat nahen Körperkontakt, doch zeigt Seidl ihn als Mann, der alles tut, um seine verbotenen Neigungen irgendwie im Griff zu behalten. Wenn es in «Sparta» Gewalt und Übergriffe gibt, dann finden sie in den zerrütteten Familien mit den meist gewalttätigen und alkoholkranken Vätern statt. Ewald hingegen scheint den Knaben das zu geben, was sie zu Hause nicht bekommen: Zuwendung und Fürsorge. Was die Vorwürfe betrifft, die zuerst der Spiegel aufgeworfen hat, die Knaben seien bei den Dreharbeiten ausgenutzt und die Eltern der Kinder seien von Seidl nur unzureichend über die Inhalte des Films informiert worden, gilt die Unschuldsvermutung. Bis anhin wurde keine einzige juristisch verbindliche Anklage gegen den österreichischen Regisseur erhoben. Dies betonte auch die Festivalleitung des Filmfestivals von San Sebastián in ihrem Communiqué, das sie am Tag vor der Weltpremiere von Sparta publizierte und damit auch begründete, warum sie an der Projektion des Films im Wettbewerb um die Goldene Muschel festhielt. Das Toronto International Film Festival, wo – zehn Tage vor San Sebastián – ursprünglich die Weltpremiere von «Sparta» hätte stattfinden sollen, hatte angesichts der Vorwürfe des Spiegel kalte Füsse bekommen und in einem Akt vorauseilenden Gehorsams den Film kurzfristig und kommentarlos aus dem Programm gekippt. Im Gegensatz zu den Nordamerikanern scheint man in Spanien und speziell im Baskenland – angesichts historischer Erfahrungen – offenbar sensibler zu sein, was Eingriffe in die künstlerische Freiheit betrifft.