Zum Stück – Lauter Wirtschaftsflüchtlinge Muri, 1854: Die zweite Auswanderungswelle nach Übersee erreicht ihren Höhepunkt. Verlockende, oft geschönte Nachrichten «von drüben» und bittere Armut zu Hause wirken als Katalysatoren. 81 Murianer:innen wandern allein in diesem Jahr aus. Die meisten nach Amerika. Die wenigsten von ihnen freiwillig. Vom Exodus profitieren nicht bloss Auswandereragenturen, sondern auch die Gemeinde, die sich auf diese Weise ihrer ärmsten Mitglieder entledigt. Mittellose, die sich vom Acker machen, bekommen die Reisekosten aus der Armenkasse vergütet. Das ist billiger, als sie ein Leben lang durchzufüttern. «Amerika» – so der Titel des Freilichttheaters 2023 – erzählt die Freiämter Auswanderergeschichte des Jahres 1854 aus der Sicht des Unteragenten, dem etwas schmierigen Wirt Lonzi (Philipp Galizia), der im Auftrag einer grossen Auswandereragentur die Verträge abschliesst und dafür natürlich eine Provision kassiert. Sein Interesse, so viele Menschen als möglich ins «gelobte Land» zu spedieren, ist deshalb mindestens so gross wie das der Gemeinde. «Lonzi verkörpert aber keineswegs nur das Böse», erklärt Christoph Zurfluh, der Autor des Stücks, «sondern er ist ganz einfach ein Mensch, der zuerst für sich selber sorgt. «Die Welt», sagt er deshalb, «wird nicht besser, wenn es mir schlechter geht.» Im Grunde genommen, so Zurfluh weiter, seien wir Schweizer im 19. Jahrhundert genau das gewesen, was man heute in gewissen Kreisen oft despektierlich als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnet. «Die Menschen haben ihr Land nicht als politisch Verfolgte verlassen, sondern deshalb, weil sie hier nicht die geringsten Perspektiven hatten.»